Ein Gewimmel von bunten Gestalten vor der Schule Mainzer Straße ließ mich schon von weitem erahnen: das wird lustig! Einige der Lehrerinnen hatten die riesigen Masken aus dem Theater Bielefeld auf dem Kopf. Aber die Kinder waren auch nicht schlecht verkleidet. Sie trugen wilde Perücken. Einige hatten ihre wilden Kerle auf dem Arm, manche trugen Holzkonstruktionen, andere wieder Marionetten. Ein irrer Trupp, der sich da langsam in Bewegung setzte und in der Südstadt nicht wenig Aufsehen erregte.
Ich habe die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Zug in das Museum Schnütgen begleitet. Und war ganz begeistert von der bunten Vielfalt, der Ausgelassenheit und Freude der Kleinen. Wir mir ging es auch so manchem Passanten. Alle winkten, Autofahrer hupten und die Fahrt in der KVB wurde mit kleinen Trommeleinlagen zu einem richtigen Event! „Was macht ihr da?“ fragte ein etwas Dreijähriger, der mit seinem Vater auf dem Weg ins Rautenstrauch-Joest-Museum war. „Kennst du die wilden Kerle?“ fragte ich zurück? „Ja, das Buch hab ich!!!“ „Na, die fahren jetzt ins Museum Schnütgen!“ „Oh, Papa, können wir da auch hin?“ Der Vater schien beglückt über so viel Interesse seines Steppkes. Toll, wie schnell man mit so einer niederschwelligen Einstiegsidee schon die Kleinsten für das Museum begeistern kann!

Ankunft der wilden Kerle im Kulturquartier am Neumarkt. Einmal kurz Krach machen mit den Trommeln. Dann ging es gesittet in Zweierreihen in das Museum Schnütgen. Denn schließlich waren die Kinder alle kleine Kuratoren, die jetzt konzentriert ihre eigene Ausstellung arrangieren mussten. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der die Wissenschaftler und Restauratoren des Museums tatkräftig zur Seite standen. Sogar Direktor Dr. Moritz Woelk packte mit an. Ihm schien dieser muntere Trupp und die vielen fantastischen wilden Kerle, die sein Haus zu bevölkern begannen, sichtlich Spaß zu machen.
Eine kleine Herausforderung war das Arrangement der vielen Puppen und Objekte im Museum dann aber doch. Abstand zu den empfindlichen Kunstwerken halten! Wege für die Besucher frei lassen! Achtung! Da flattern die Beinchen eines wilden Kerls im Lüftungsstrom. Das könnte des nachts dazu führen, dass Alarm ausgelöst wird! Ja, nachts! Denn alle wilden Kerle blieben über das ganze Wochenende im Museum. Was die wohl nachts im Museum anstellen werden?

Maurice Cox hat dann die ganze Mannschaft auf einem tollen Foto eingefangen. Wilde Kerle, Museumsdirektor, Lehrerinnen! Alle, die an dieser wunderbaren Aktion mitgewirkt haben, sind auf diesem Foto zu sehen. Ein wunderbar buntes Bild! Wie anders die Kirche auf einmal wirkt. man schaut doch auch noch einmal ganz anders auf die Kunst. Ich bin sicher, diese Aktion werden die Kinder nie vergessen. Und sie haben das Museum als einen Ort erlebt, der sie mit offenen Armen empfängt. Was der kleine wilde Kerl aus der Sammlung so alles auslösen kann!

Das war jedoch nur der Anfang! Am vergangenen Freitag dann gab es die Kinder-Vernissage mit allen Klassenkameraden, den Eltern, Großeltern und Freunden. Der VHS-Saal, in dem Direktor Dr. Woelk und Karin Rottmann alle begrüßten, war rappelvoll! Es wurde aber nicht nur begrüßt, sondern auch das Theaterstück aufgeführt. Die kleinen Schauspieler hatten unter der Anleitung von Omar El-Saeidi und mit ihrer Lehrerin Christina Otto ein einmalig schönes Stück inszeniert. In temporeichen Wechseln haben die Kinder Alltagssituationen szenisch interpretiert, in welchem sich Kinder nicht verstanden oder akzeptiert fühlen können. Diese Frustration schweißt zusammen und so fand sich ein kleines Grüppchen an Kindern, die in die ferne Wildnis auszogen! Und plötzlich erhoben sich verteilt unter den Zuschauern die wilden Kerle. Das war ein richtiger Gänsehautmoment, wie sie alle da im Dunkeln in ihren wilden Kostümen aufstanden.

Dann kamen sie auf die Bühne und zeigten mal, was wilde Kerle so machen. Augenrollen, scharfe Krallen zeigen und solche Dinge! Doch unsere tapferen Kinder ließen sich überhaupt nicht beeindrucken. Und dann passiert es: sie wurden von den wilden Kerlen zu Königen gemacht! Eine super Umsetzung des tollen Kinderklassikers von Maurice Sendak. Das Stück endete damit, dass die Kinder doch lieber wieder zurück zu ihren Eltern wollten. Und dort dann mit ganz viel Selbstbewusstsein endlich Aufmerksamkeit kriegten! Toll gemacht, liebe Schülerinnen und Schüler der Grundschule Mainzer Straße!

Ein halbes Jahr lang haben sich die Kinder mit den „Wilden Leuten“ beschäftigt. In der Vorstellungswelt des späten Mittelalters lebten sie außerhalb der Zivilisation in der wilden Natur. Sie waren von menschlicher Gestalt, aber am ganzen Körper mit Fell bedeckt. Museumsteam und Museumspädagogen waren beeindruckt, wie sich alle haben anregen lassen von der Geschichte über den Wilden Mann aus dem Museum Schnütgen. Die kleine Holzfigur hat nun für ein paar Tage wilde Schwestern und Brüder zu Besuch gehabt.

Die Besucher in der Cäcilienkirche wurden durch einen Text auf das Projekt aufmerksam gemacht, welches Fördermitteln der PWC-Stiftung Jugend Bildung Kultur finanziert wurde. Wir haben viele Interessierte dabei beobachtet, wie sie sich über die Figuren unterhielten, manche haben sie sogar fotografiert und sich auch noch einmal den „Wilden Mann“ genauer angeschaut, der auf der Westempore inmitten der Prophetenfiguren ausgestellt ist. Ein erfolgreiches Projekt geht nun zu Ende und wir danken allen Beteiligten für das außergewöhnliche Engagement.
Anke von Heyl
„Schülertrainees“ wird gefördert von der PWC Stiftung Jugend – Bildung – Kultur