In den Zeiten des viel beschworenen „Crossover“ kommt es immer wieder zu heftigen Flirts zwischen Kunst und Mode. Seit Yves Saint Laurent seine Minikleidchen in den 60ern mit Mondrian-Bildern vermählte, hat die Faszination der Mode für die Kunst immer neue Nahrung erhalten. Dass das Verhältnis auch zwiespältig sein kann oder in philosophische Regionen reichen darf, zeigt ein Beitrag in „Texte zur Kunst“, den ich sehr empfehlen kann. Uns beschäftigt das Thema momentan in einer Schulpartnerschaft, in der angehende Modeschneiderinnen beim „Blau-Projekt“ partizipieren. Wir haben ja schon an dieser Stelle über die ersten Überlegungen zu dem Projekt berichtet.Es gab auch schon einen gemeinsamen Rundgang im Museum Ludwig, bei dem die Kunstwerke ausgewählt wurden, zu denen Umsetzungen entstehen sollten.

Matisses „Frauen und Affen“ waren dabei ein Kunstwerk, bei dem die Farbe Blau eine besondere Rolle spielt. „Statt die Kontur zu zeichnen und dorthinein Fabe zu malen – wobei die eine die andere verändert -, zeichne ich direkt in die Farbe.“ Die „cut out“ Technik präsentiert hier in der Vereinfachung Chiffren für Fruchtbarkeit und Liebe. Die Teilnehmer haben hierzu mit kreativen Schreibrezepten ein erstes Brainstorming erstellt.
Weitere Kunstwerke, die als mögliche Vorlagen für die ersten Entwürfe ausgesucht wurden, waren Joan Miros Bild „Amour“ aus dem Jahre 1926, „Das blaue Phantom“ von Wols (1951), Natalia Gontscharowas opulente „Orangenverkäuferin“ von 1916, Max Ernsts „Muschelblumen“ von 1929 und last but not least eine wunderbare Reihe von Zeichnungen von Louise Bourgeois: The Fragile, 2007. In diesem faszinierenden Alterswerk hat die 2010 gestorbene Künstlerin ihr berühmtes Spinnenmotiv auf wunderbare Weise variiert und mit vielen blauen Farbsetzungen koloriert.
Gestern durfte ich die ersten Entwürfe sehen, die nach unserem Museumsbesuch entstanden sind und ich muss sagen, ich bin begeistert! So viele kreative Ideen! Man konnte sehen, dass sich die Teilnehmer von der Projektidee haben anstecken lassen. Zum jetzigen Stadium spielen auch die Fragen der Umsetzung noch nicht die große Rolle und so sind mutige Interpretationen der Kunstwerke entstanden, die zeigen, wie lebendig die Kunst sein kann. Und welche Impulse sie für die eigene Gedankenwelt geben kann.
Die Arbeit des Informel-Künstlers „Wols“ löste unterschiedliche Assoziationen aus und das Gefühl des Gefangenseins im unendlichen Blau, das dieses unförmige Phantom fest umschlossen hält, drückt sich in phantasievollen Idee aus. Hier kriegt man eine Idee davon, was passieren könnte, wenn die Wesen auf den Bildern eines Nachts aus ihrem Bild heraussteigen und zu erzählen anfangen.
Besonders viele Ideen haben die Zeichnungen von Louise Bourgois angeregt, die das Spinnenmotiv mit den Begriffen „Mutter“, „Schutz“, „Netze spinnen“ verbunden hat. Besonders charmant fand ich dabei die Idee der alles umarmenden Spinne, die hier als „Gürtel“-Accessoire umgesetzt werden könnte. Schön, wie auch die Kunst bis in die Stoffwahl und kleine Applikationen hineingewirkt hat.
Eine besondere Herausforderung stellte die Umsetzung der Matisse-Scherenschnitte dar. Hier ein Entwurf zu der Idee, modulartig die flächigen Formen auf die einzelnen Körperteile zu applizieren. Ein sehr spielerischer Umgang mit Formen und Farben kommt hier zum Tragen.
Die russische Folklore spielt in dem Gemälde der Künstlerin Natalia Gontscharowa eine nicht zu unterschätzende Rolle und so war es klar, dass die Entwürfe für die textile Umsetzung mit diesem Moment arbeiten musste. Mit den Orangen wurde äußerst spielerisch in vielen Entwürfen umgegangen.
Die kreativen Umsetzungen gingen zumeist von der Farbe aus, die in den meisten Bildern die Aussage bestimmt. Wie hier die Gruppe, die sich mit Miro beschäftigte. Aber auch einige andere Details des Bildes waren gute Ideengeber – wie bei Miro die Sterne im Schriftzug „amour“. Hier lag eine Verwendung des guten alten Kreuzstiches sozusagen auf der Hand. Mit den anderen Bildelementen einzelne Details zu gestalten, die dann den Look begleiten – eine schöne freie Weiterentwicklung der Kunst hat durchaus Potential.
Anke von Heyl