Rund 20 Schülerinnen und Schüler tummeln sich am Vormittag des 14.9.2016 in der Eingangshalle des EL-DE-Hauses in Köln. Kurz zuvor hatte der Museumsbus mit der Schulklasse aus Brühl Halt an der Kölner Gedenk- und Ausstellungsstätte gemacht. „Wir sind wegen der politischen Bildung der Schülerinnen und Schüler hier“, fasst die betreuende Lehrerin den Ausflug der 8. Schulklasse zusammen. Im Hintergrund sind weitere tippelnde Schritte sowie mal leises, mal lauteres Stimmengewirr zu vernehmen. Die Brühler Schulklasse ist an dem spätsommerlichen Tag nicht die einzige, die sich das NS-Dokumentationszentrum im EL-DE-Haus anschauen will. Aufgeteilt in zwei Kleingruppen kann die Erkundungstour auch gleich beginnen.
„Eigentlich wollte Leopold Dahmen eine Tiefgarage in den Keller bauen.“
Die erste Station der Führung führt wider Erwarten erst einmal wieder vor die Tür des Museums. Aber von dort hat man einen besseren Blick auf das EL-DE-Haus und Museumspädagogin Birte Klarzyk erklärt auch gleich, wie der seltsame Name des Gebäudes überhaupt zustande kommt. Dies ist nämlich auf die Initialen des Erbauers Leopold Dahmen zurückzuführen, der das Haus 1934 ursprünglich als Wohn- und Geschäftshaus errichtete. Doch es kam anders. Denn nur ein halbes Jahr später mietete die Kölner Geheime Staatspolizei (Gestapo) den Rohbau und brachte nach Änderung der Raumaufteilung unter anderem ihre Büroräume dort unter. „Eigentlich wollte Leopold Dahmen eine Tiefgarage in den Keller bauen“, so die Museumspädagogin, doch dieser Plan wurde mit den neuen Mietern obsolet. Da die Gestapo für die Kontrolle, Verfolgung und nicht zuletzt für die Verhaftung von Gegnern des NS-Regimes in Köln und der Umgebung zuständig war, richteten sie stattdessen Häftlingszellen im Untergeschoss ein, zu welchen die zweite Station des Rundgangs führte.
EL-DE-Haus, Gedenkstätte Gestapogefängnis: Blick in Zelle 1, Köln 2010 (Foto: Marion Mennicken, RBA)
Den Spuren Hans‘ folgen
„Hier unten ist noch fast alles genau so, wie in den 30/40er Jahren“, fährt die Museumspädagogin in den düsteren und engen Kellerräumen fort. Im Keller des EL-DE-Hauses befinden sich bis heute zehn kleine, größtenteils originale Häftlingszellen, die als Gedenkstätte, an die Schrecken der NS-Zeit erinnern sollen. Die Schülerinnen und Schüler rätseln, wie viele Häftlinge wohl in einem dieser tristen Räume untergebracht waren. Die Antworten sind ganz unterschiedlich: Waren es vielleicht 2, 5 oder doch 10 Häftlinge? Nach der Auflösung der Frage ist die Schulklasse sehr überrascht und gleichzeitig bestürzt, dass zu Hochzeiten durchschnittlich sogar rund 20 politische Häftlinge, und ab 1939 auch Zwangsarbeiter, in einer Zelle zusammengepfercht wurden. Beim Anblick der Zellen fällt den Schülerinnen und Schülern außerdem sofort auf, dass die Zellenwände über und über mit Inschriften besäht sind. Neben russisch- und französischsprachigen Beschriftungen sticht ihnen vor allem eine in deutscher Sprache ins Auge: „Wenn keiner an dich denkt, deine Mutter denkt an dich; Hans Weinsheimer; 1944.“ Weinsheimer war im Jahr 1944 als 16-Jähriger für ca. einen Monat im EL-DE-Haus festgehalten worden, wie die Jugendlichen erfahren. Das Schicksal bewegt die Schülerinnen und Schüler. Auch, weil sie als Achtklässler kaum jünger als Weinsheimer zum damaligen Zeitpunkt selbst sind.
EL-DE-Haus, Gedenkstätte Gestapogefängnis: Inschrift in Zelle 1, Köln 2009 (Foto: Anna C. Wagner, RBA)
Aber wer war eigentlich dieser Hans Weinsheimer und warum wurde er überhaupt eingesperrt? Den Spuren Hans‘ gilt es während des restlichen Rundgangs durch die Dauerausstellung zu folgen.
Dabei erfahren die Besucher zunächst mehr über Hans’ Eltern und seine Kindheit und Jugend im Köln der 1920er und 1930er Jahre und können feststellen, wie sich das Leben der Familie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 veränderte.
Vor dem Hintergrund, dass Hans‘ Eltern stets überzeugte Kommunisten blieben, scheint sich die Frage, ob ihr Sohn sich den Ideen der Nationalsozialisten anschloss und wie so viele seiner Generation der Hitlerjugend beitrat, mit einem klaren „Nein“ beantworten zu lassen. Umso überraschter sind die meisten Schülerinnen und Schüler, als sie hören, dass er sogar von seinen Eltern in der Hitlerjugend angemeldet wurde.
Schnell erkennen sie jedoch, dass dies vor allem als Schutz und Tarnung seiner Familie diente und Hans sich weitestgehend von den HJ-Gruppen fernhielt. Lieber traf er sich mit oppositionellen Jugendlichen und half seinem Vater manchmal sogar, anti-nationalsozialistische Flugblätter zu verteilen, was schließlich zu seiner Verhaftung und Inhaftierung im EL-DE Haus führte.
So lernen die Schülerinnen und Schüler anhand seiner Geschichte nicht nur sein Einzelschicksal genau kennen, sondern auch, was zur Zeit des Nationalsozialismus fast vor ihrer Haustüre passierte.
Bequem von Tür zu Tür
Die Führung durch das NS-Dokumentationszentrum im EL-DE-Haus und neun weitere Angebote für die Klassen 5 bis 8 können im Rahmen des Projektes museumsbus koeln kostenfrei von allen weiterführenden Schulen in den Kreisen Euskirchen, Rhein-Sieg, Oberbergischer, Rheinisch-Bergischer und Rhein-Erft gebucht werden.
Carolin Ayasse
Ich finde, das NS-Dok leistet fantastische Arbeit. Der hier beschriebene Ansatz, über die Biografie eines der Insassen die schrecklichen Geschehnisse der NS-Diktatur zu erzählen, ist perfekt für die junge Zielgruppe. Ich erinnere mich noch mit Schrecken an meinen Geschichtsunterricht, wo mir eher Zahlen um die Ohren gehauen wurden. Und ich hätte nur einmal so einen persönlichen Ansatz gebraucht, damit mir Geschichte als lebendige Vergangenheit deutlich geworden wäre.
Zum Museumsbus kann ich euch nur beglückwünschen. Eine wichtige Einrichtung, die in die Zukunft investiert!
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