Resozialisierung im Museum

Ein Museum für alle. Auch für bildungsferne Schichten. Das ist eine Forderung, mit der man verstärkt die Zukunft der Museen diskutieren wird. Eigentlich sind sich alle einig. Niemand zweifelt an, dass kulturelle Institutionen sich auch um diejenigen bemühen müssen, die nicht schon mit der Muttermilch den Zugang zu Kunst und Kultur vermittelt bekommen. In der Praxis sieht dies jedoch oft noch so aus, dass in erster Linie diejenigen mit Programmen bedient werden, für die ein Museumsbesuch keine allzu große Hürde darstellt. Alles andere ist ein Wagnis, denn man weiß nie, ob man sich auf gemeinsame Verhaltensregeln einigen kann.

Dennis Hartmann, mit dem wir immer wieder zusammenarbeiten, ist als Sozialarbeiter ein Mensch mit Visionen. Und er nutzte den Kontakt zum Museumsdienst, um ein ungewöhnliches Projekt auf den Weg zu bringen. Er wollte einen Dokumentarfilm drehen über einen Workshop im Museum, bei dem sich ehemalige jugendlichen Straftäter mit den Kunstwerken auseinandersetzen.

Mannsbilder
Dreharbeiten zum Projekt „Geh mir aus der Sonne. Mannsbilder“ (Foto: Karin Rottmann, Museumsdienst Köln)

 

Mit dem Projektpartner „Resi“ der Aktion „wir helfen“ und durch Unterstützung der Jugendgerichtshilfe sowie der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien konnte in Zusammenarbeit mit dem Museumsdienst dieser Dokumentarfilm realisiert werden. Der Movie Crew als Filmer sowie Omar El-Saedi als Workshop-Leiter ist es gelungen, die Emotionen und Assoziationen der jungen Leute zu den Kunstwerken einzufangen. Nach einer sehr intensiven Kennenlernphase im geschützten Raum hatte man sich für den Workshop im Museum für die Barock-Abteilung des Wallraf-Richartz-Museums entschieden.

Mannsbilder 2
Dreharbeiten zum Projekt „Geh mir aus der Sonne. Mannsbilder“ (Foto: Karin Rottmann, Museumsdienst Köln)

„Kaum eine Epoche zeigt mehr Emotionen in der Malerei. Und die theatralische Inszenierung der Gemälde eignet sich hervorragend für die Auseinandersetzung mit den Fragestellungen der Jugendlichen an diesem Punkt ihres Lebens“. Hier macht Karin Rottmann deutlich, welche Rolle die Begegnung mit der Kunst auch spielen kann. „Wir haben das Programm „Mannsbilder“ genannt. Es sollte um die Themen „Vorbild“, „Gewalt“ und „Macht“ gehen. Hierzu sollten die Teilnehmber des Workshops mit theaterpädagogischen Übungen sich in die Protagonisten der Bilder versetzen. Es war ungeheuer spannend zu sehen, wie sich bestimmte Muster über die Jahrhunderte hinweg in die Lebenswirklichkeit der Jugendlichen in ihrer speziellen Situtation übertragen ließen.“

Rubens Mantuaner Freundschaftsbild
Peter Paul Rubens: Selbstbildnis im Kreise der Mantuaner Freunde, um 1602 / 1605, Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud (Foto: RBA Köln)

 

Beim Selbstbildnis von Peter Paul Rubens im Kreise seiner Mantuaner Freunde zum Beispiel konnten die Jugendlichen sehr schnell nachvollziehen, dass sich der Künstler mit Gleichgesinnten, Lehrmeistern oder Gefährten umgeben darstellen wollte. Auch wenn Ihnen die formelhafte Komposition etwas befremdlich erschien, so wussten sie alle sehr schnell zu sagen, wie ihr Selbstbildnis mit ihren Vorbildern auszusehen hätte. Und je länger sie in der Betrachtung des Rubens-Werkes blieben, desto mehr Entdeckungen machten sie hinsichtlich Ausdruck, Beziehungsgeflecht und Botschaft des Gemäldes.

Crayer, Gaspard de, Alexander und Diogenes, Öl & Leinwand, um 1625/1630 (Köln, Wallraf-Richartz-Museum + Fondation Corboud, WRM 1413.  (Foto: © Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_c004455)
Gaspard de Crayer: Alexander und Diogenes, um 1625/1630, Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud (Foto: RBA Köln)

Noch direkter stiegen die Jugendlichen allerdings ein bei der Betrachtung des Werkes „Alexander und Diogenes“ von Gaspar de Crayer. Mit ihrer ganz eigenen Sprache („Römer-Transe“, „Penner“) stellten sie sehr schnell klar, dass sie genau verstanden haben, um was es hier geht. Mit kleinen Rollenspielen konnten sie auch die Gestaltungsprinzipien der Bildachsen sowie Gestik und Mimik der Hauptakteure des Kunstwerkes hautnah erleben.

Omar El-Saedi gelang es, durch die richtige Ansprache das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen. Sie öffneten sich und ließen sich auch auf die Anleitungen der museums- bzw. theaterpädagogischen Ansätze ein. Ihr Fazit im Film berührt, denn sie machten deutlich, dass sie normalerweise niemals auf die Idee gekommen wären, ein Museum zu betreten. Dieser Workshop habe ihnen jedoch gezeigt, dass es dort auch Dinge zu entdecken gibt, die auch für sie interessant sind. Ganz wichtig sei jedoch die Art und Weise der Vermittlung gewesen. Nicht jedem hätten sie zugehört, stellten sie klar. Aber diese Art von Rollenspiel und Anregung, die eigene Befindlichkeit zu äußern, das habe sie überzeugt.

Ich wage mal die Behauptung, dass es kaum ein größeres Kompliment für die Museumspädagogik geben kann als aus dem Munde von Jugendlichen, die aus einer völlig fernen Welt zu uns ins Museum kommen! Und von dort aus etwas für die Zukunft mitnehmen können. Und sei es nur, dass sie diese Begegnung machen konnten. Der Dokumentarfilm, der dies eindrucksvoll beschreibt soll demnächst einem größeren Fachpublikum vorgeführt werden. Denn es gibt eine Menge daraus zu lernen. Wer Interesse an diesem Termin hat, kann sich gerne mit uns in Verbindung setzen.

Anke von Heyl

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