„Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. Nicht die Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben, sagte er zu sich selbst; fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn’ ich mich zu erblicken.“ „Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die […] ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte.“

In seinem Romanfragment „Heinrich von Ofterdingen“ hat der romantische Dichter Novalis die sehnsuchtsvolle Naturerfahrung der Romantik mit der Suche nach der blauen Blumen beschrieben. Es gibt wohl kaum eine Jahreszeit, bei der man diese Sicht auf die Natur besser nachvollziehen könnte als der Frühling, in welchem diese nach langen dunklen Wintermonaten wieder zu erwachen beginnt. Auch Goethe hat dies in seinem berühmten Osterspaziergang beschrieben, der ja gerne in diesen Tagen rezitiert wird.

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!“
Aus Faust I „Vor dem Tor“

Wie die Kirschblüte so wird auch die Blüte der Pflaumenbäume in Japan als Bote des Frühlings in der Malerei und in der Dichtung gefeiert. Dieser wundervolle Farbholzschnitt feiert auch das kräftige Blau der späteren Pflaume. Im Hintergrund der Darstellung sieht man, wie sich die Menschen versammeln, um die Natur zu feiern und die Blütenpracht zu begrüßen.

Auch Monet hat seine künstlerische Meisterschaft bewiesen. Das Einfangen der ganz besonderen Atmosphäre eines klaren und frischen Frühlingstages auf der Leinwand. Die blau-violette Palette seiner Farben erzeugt beim Betrachter das unmittelbare Nachempfinden von Wind und Wetter. Man möchte fast einen tiefen Atemzug nehmen, so frisch kommt dieses Bild daher, das den Frühling mit Blick auf die Seine und einen blühenden Obstbaum so wunderbar präsentiert.
Anke von Heyl